8-Punkte-Plan für das Lebensmittelhandwerk in Bayern

 

In Bayern wird ein Großteil der Wirtschaftsleistung aus den Bereichen Landwirtschaft, Handwerk und Mittelstand generiert. Dies trägt auch dazu bei, dass von der Aussaat bis zum Verkauf viele Lebensmittel regional in Bayern erzeugt und verarbeitet werden. Die aktuelle Krisensituation stellt aber gerade die Lebensmittelbranche vor neue Herausforderungen, die es anzugehen gilt. Steigende Preise, Lieferengpässe und Inflation machen den Betrieben zu schaffen und sorgen für einen Rückgang der Konsumausgaben. Aber auch viele langjährige Probleme wie das Aussterben kleiner landwirtschaftlicher Betriebe und insbesondere der Fachkräftemangel gefährdet die gesamte Lebensmittelbranche.  Daher braucht es jetzt gezielte Maßnahmen, um diese mittelständischen Strukturen zu erhalten, um das Lebensmittelhandwerk zu stärken und damit die Qualität und Vielfalt unserer Lebensmittel sicher zu stellen.

 

Punkt 1: Gasversorgung sicherstellen

Die Lebensmittelwirtschaft ist eine der Branchen, die am stärksten auf die Verwendung von Gas angewiesen ist. Sei es bei den Öfen der Bäckereien, den Herden in der Gastronomie oder bei der Erhitzung von Milch bei der Pasteurisierung, in vielen Verarbeitungsprozessen von Lebensmitteln ist Gas essenziell. Ein kurzfristiger Umstieg auf alternative Energiequellen ist in vielen Fällen nicht möglich. Somit muss jetzt vor allem die Gasversorgung gerade für Betriebe in der Lebensmittelwirtschaft unbedingt sichergestellt werden. Bayern hat sich in besonderem Maße von den Gasimporten aus Russland abhängig gemacht und ist somit nun auch stärker durch die Gasknappheit betroffen. Der Freistaat steht daher in der Verantwortung, hier mit dem Bund kooperativ zusammenzuarbeiten, um die Versorgung der bayerischen Lebensmittelwirtschaft über die gesamten Wintermonate hinweg sicherzustellen. Bayern verfügt über einen großen Vorrat an Biogas, der auch genutzt werden sollte. Wir setzen uns daher dafür ein, dass hier auch der rechtliche Rahmen entsprechend erweitert wird, um dieses Potential voll ausschöpfen zu können.

 

Punkt 2: Energiepreise abfedern

Viele Betriebe in der Lebensmittelwirtschaft sind energieintensiv und auf die Nutzung von Erdgas angewiesen. Die Bundesregierung hat in den letzten Monaten mehrere Maßnahmen beschlossen, um die Wirtschaft von den steigenden Energiekosten infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zu entlasten. Durch das Energiekostendämpfungsprogramm wurde der wirtschaftliche Abwehrschirm mit einem Umfang von 200 Mrd. Euro im Bundestag beschlossen. Mit diesen Mitteln möchte der Bund die Gas- und Strompreise senken. Um den Sparanreiz weiter aufrecht zu erhalten, werden die Preise jedoch auf einem Niveau gehalten, der immer noch deutlich über dem Preis vor dem Ausbruch des Krieges liegt. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass KMUs und Handwerksbetriebe noch weitere Entlastungen erhalten. Hier sollte auch der Freistaat Bayern aktiv werden und finanzielle Unterstützung für die regionalen Unternehmen leisten, anstatt jede Verantwortung nur auf den Bund abwälzen.

 

Punkt 3: Unterstützung bei der Transformation zur Klimaneutralität

Die aktuelle Energiekrise hat aufgezeigt, dass es auch in der Lebensmittelbranche noch viele Bereiche gibt, die bis auf weiteres auf fossile Energieträger angewiesen sind. Daher braucht es jetzt einen klaren Fahrplan für die Umstellung der Betriebe auf Technologien, die aus erneuerbaren Energien gespeist werden können. Viele Unternehmen planen mittelfristig eine Umrüstung auf Wasserstoff. Dafür muss jedoch eine landesweite Strategie zur Erzeugung und Verteilung von Wasserstoffstoff vorangetrieben werden. Die heute verwendete Menge an Gas, Öl oder anderen fossilen Kraftstoffen wird aber nicht innerhalb von wenigen Jahren vollständig durch Wasserstoff ersetzt werden können, da die Erzeugung von Grünem Wasserstoff enorme Mengen an Strom benötigt. Daher muss auch Teil der Strategie sein, wie wir neben Wasserstoff auch andere erneuerbare Energiequellen effektiv nutzen können, um fossile Energien in der Lebensmittelwirtschaft zu ersetzen. Das betrifft auch insbesondere die Logistik, denn die Lebensmittel müssen schließlich auch zu den Handelsfilialen oder direkt zu den Verbraucher*innen gelangen. Außerdem muss Bayern endlich seine Blockadehaltung gegen den Ausbau der Windenergie beenden, um bürokratische Hürden abzubauen und eine Beteiligung von Kommunen und Unternehmen am Ausbau der Erneuerbaren Energien zu ermutigen. Viele Unternehmen wollen selbst Strom erzeugen, sei es durch Photovoltaik, die Erzeugung von Biogas oder eben durch die Beteiligung an einem Windrad. Die Staatsregierung sollte solche Initiativen ermutigen anstatt sie auszubremsen, wie sie es seit Jahren macht.

 

Punkt 4: Unterstützung des Lebensmittelhandwerks bei der Anpassung an geänderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen

Eine bessere Work-Life-Balance, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, große Konkurrenz durch „leichtere“ Tätigkeiten mit höherer Entlohnung – die Konkurrenz um junge, engagierte Arbeitskräfte ist riesig. Wir unterstützen die Lebensmittel-Handwerksbetriebe dabei, sich an diese veränderte Lebenssituation anzupassen. Stichworte sind dabei: vermehrte Forschung für verbesserte Verfahren, Automatisierung, Fördermittel für Werkzeuge/Infrastruktur, deren Verwendung z.B. verträglichere Arbeitszeiten befördern, Frauenförderung im Handwerk, flexiblen Renteneintritt fördern.

 

Punkt 5:  Mehr Mittel für Aus-, Fort- und Weiterbildung

In Bayern fließt in einen Studienplatz ein Vielfaches an Mitteln im Vergleich zu einem Ausbildungsplatz. Dies wirkt sich auch auf die Qualität der Bildung und die Ausstattung der Bildungsstätten aus. Um Ausbildungen attraktiver zu machen, muss daher das Missverhältnis in der Finanzierung von Studienplätzen und Ausbildungsplätzen verringert werden. Dazu gehört, dass die beruflichen Bildungsstätten deutlich aufgewertet werden und mehr Mittel aus dem Landeshaushalt zugeteilt bekommen. Außerdem müssen Meisterabschlüsse endlich kostenfrei werden und die – bisher meist ehrenamtlichen – Prüfer*innen anständig entlohnt werden.

Zudem sollte auch bei Ausbildungen ein Auslandaufenthalt unterstützt werden, wie es das Erasmus-Programm der EU ermöglicht, indem der Freistaat den Arbeitsausfall des Ausbildungsbetriebs bezahlt und die im Ausland gewonnenen Erfahrungen auch für die Ausbildung anerkennt. So erhalten die Auszubildenden neue Kenntnisse, von denen auch der Ausbildungsbetrieb profitieren kann, und die Attraktivität der Ausbildung wird gesteigert.

 

Punkt 6:  Aufwertung des Handwerksberufs in der Berufsorientierung

Das größte Problem des Handwerks ist der Fachkräftemangel. Im aktuellen Ausbildungsjahr konnte jede zweite Stelle nicht besetzt werden. Um das Handwerk wieder attraktiver zu machen, sollte dieses auch in der schulischen Ausbildung mehr Bedeutung erhalten – zum Beispiel durch weitere Pflichtpraktika. Einblicke in das Handwerk müssen im Rahmen der Berufsorientierung in ALLEN Schularten möglich sein. Die Handwerkslehre muss endlich wieder die gleiche Bedeutung und Wertschätzung wie ein akademisches Studium erhalten, so dass auch mehr Schüler*innen mit Abitur eine Ausbildung in Betracht ziehen.

Ein weiterer Baustein sind die Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisungen (ÜLU). Sie sind sehr wichtig, um die Standards in der handwerklichen Ausbildung sicherzustellen und stellen eine der drei Säulen in der Ausbildung dar. Der Bundestag hat für das kommende Jahr die Mittel für die ÜLU im Bundeshauhalt erhöht. Diese Gelder können jedoch nur abgerufen werden, wenn auch die Länder sich mit der gleichen Summe an den Kosten beteiligen. Daher muss auch der Freistaat dafür sorgen, dass mehr Mittel in die ÜLU fließen.

 

Punkt 7: Integrationshürden abbauen und Willkommenskultur aufbauen

Die bayerischen Handwerksbetriebe sind bereits heute ein Ort der gelebten Integration. Dennoch gibt es nach wie vor viele Hürden für Personen mit Migrationserfahrung, die einen Beruf lernen oder eine Arbeit aufnehmen möchten. Diese möchten wir abbauen, um die Chancen der Einwanderung auch für unsere Wirtschaft besser zu nutzen. Dazu gehört, dass Ausländische Berufs- und Schulabschlüsse schneller anerkannt werden. Die Verfahrensdauer der Anerkennung von Abschlüssen darf nicht länger als drei Monate dauern. Alle Arbeitsverbote und die bürokratischen Auflagen müssen sofort aufgehoben werden und die Ausbildungsverträge müssen unabhängig von der Herkunft gelten. Wir brauchen mehr Deutschkurse, Fachsprachprogramme und eine Qualifizierungsoffensive für ausländische Auszubildende und Arbeitskräfte. Die sprachlichen Auflagen vor der Anstellung gehören in die Aus- und Fortbildung. Standards zur Anstellung- und Betreuung ausländischer Fach- und Arbeitskräfte gehören entwickelt und vom Staat kontrolliert. So können wir die Willkommenskultur stärken und helfen nicht nur den eingewanderten Menschen, sondern auch den Betrieben bei uns vor Ort.

 

Punkt 8:  Wertschätzung für Lebensmittel verbessern

Das Lebensmittelhandwerk produziert die Waren, auf die wir alle angewiesen sind. Doch die Wertschätzung für Lebensmittel ist auf einem Tiefpunkt. Viele Menschen wissen nicht mehr, wo ihre Lebensmittel herkommen, wie sie produziert werden – und erst recht nicht, wie und unter welchen Aufwand sie verarbeitet werden. Deshalb muss hier bei Kindern und Jugendlichen angesetzt werden. Alltagskompetenzen sollen deshalb in einem eigenen Schulfach vermittelt werden. Alle neu zu bauenden Schulen erhalten eine Schulküche, um den Schülerinnen und Schülern praktische Einblicke in den Umgang mit Lebensmitteln zu ermöglichen.  Die Anlage von Schulgärten wird unterstützt und die Betreuung als Anrechnungsstunden für die Lehrerschaft ermöglicht.

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