Bei einem Besuch der Sortieranlage des jungen Unternehmens TURNS in Bruckberg erhielten mein Kollege Martin Stümpfig und ich spannende Einblicke in einen zukunftsweisenden Ansatz zur Reduzierung von Textilabfällen. Gegründet im Jahr 2023 von Angelique Thummerer und Katja Wagner, verfolgt TURNS das Ziel, die Wiederverwertung von Alttextilien in Deutschland entscheidend voranzubringen – mit innovativen Verfahren und einem klaren Bekenntnis zur Kreislaufwirtschaft.
Vom Alttextil zur Faser: Recycling auf neuem Niveau
Im Mittelpunkt des Geschäftsmodells steht ein ganzheitlicher Recyclingprozess: Von der Anlieferung und KI-gestützten Sortierung bis zur mechanischen Rückgewinnung wertvoller Fasern. Die Anlieferung erfolgt per LKW in TURNS-Sortierzentren, die häufig in sozialen Einrichtungen angesiedelt und damit dezentral nahe am Abfallanfall platziert sind. Dort werden die Alttextilien nach Farbe und Material sortiert, anschließend zu verpressten Ballen verarbeitet, die zunächst an Textilreißer und dann an Spinnereien weitergeleitet werden.



Das Ergebnis sind die markeneigenen TURNS®-Garne, die im Schnitt aus 30 % recycelten und 70 % frischen Fasern bestehen – ein wichtiger Schritt hin zu zirkulären Materialkreisläufen in der Textilindustrie.
Gemeinsam für mehr Nachhaltigkeit: Aktuelle Kooperationen
Seit März 2025 kooperiert TURNS mit dm drogerie markt: Unter der Eigenmarke PUSBLU wurden Turnbeutel und Geschirrtücher aus TURNS-Garnen eingeführt – ein sichtbares Zeichen für nachhaltigen Konsum im Alltag. Nicht verwertbare Textilreste gibt TURNS gezielt an Partner wie manaomea weiter, um eine möglichst vollständige Ressourcennutzung sicherzustellen.
Alttextilien clever rückführen – mit System
Mit dem TURNS Recycle-Service bietet das Unternehmen Unternehmen ein professionelles Rücknahmesystem für Alttextilien:
Ein digitales Portal ermöglicht die Anmeldung, Nachverfolgung und Erstellung von Corporate Responsibility-Berichten. Dabei wird die Verwertung datenschutzkonform organisiert; Unternehmen beteiligen sich anteilig über ein Plug-in-Modell an den Kosten.
Restart-Produkte: Materialien für die Zukunft
Auch für Produktentwickler:innen hält TURNS ein wachsendes Portfolio bereit: Unter dem Label „Restart“ werden zirkuläre Materialien für Mode und Heimtextilien angeboten. Die Garne – bestehend aus Recycling- und Frischfasern – sind vielseitig veredelbar und sollen so einen möglichst breiten Einsatz in nachhaltigen Produktlinien finden.
Aufklärung, Beratung, Workshops
TURNS begleitet Unternehmen bei der Umstellung auf zirkuläre Portfolios, etwa durch individuelle Beratung oder Workshops. Dass dies dringend notwendig ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen: Deutschland gehört zu den größten Textilkonsumenten weltweit – mit entsprechenden Folgen für Klima und Umwelt.
Herausforderungen und politische Forderungen
Trotz vielversprechender Ansätze bleibt das Textilrecycling eine Herausforderung: Von 11 Millionen Tonnen Alttextilien in der EU werden aktuell nur 2,4 Millionen Tonnen separat gesammelt. Hinzu kommen technische Grenzen beim mechanischen Recycling sowie die Notwendigkeit zusätzlicher Investitionen in Forschung und Entwicklung.
TURNS betont daher die Bedeutung klarer politischer Rahmenbedingungen, etwa:
- Finanzielle Förderung und erweiterte Herstellerverantwortung
- Senkung der Mehrwertsteuer auf gebrauchte Textilien
- Verbindliche Anforderungen an Design for Recycling & Longevity
Fazit
TURNS zeigt eindrucksvoll, wie unternehmerisches Engagement und technische Innovation zur Lösung eines der drängendsten Umweltprobleme beitragen können. Der Besuch hat verdeutlicht: Kreislaufwirtschaft ist keine Vision mehr – sondern Realität, wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft an einem Strang ziehen.
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