Vortrag auf der BAP-Regionalkonferenz

 

Am 03.07.2019 durfte ich auf der Regionalkonferenz des Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister einen Vortrag halten. In diesem Vortrag habe ich einen politischen Ausblick auf die Arbeitswelt von morgen gegeben und dabei verschiedene Punkte thematisiert.

Unsere Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Zwar ist die Erwerbslosigkeit weiterhin auf relativ niedrigem Niveau, doch durch die zunehmende Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hat das sogenannte Normalarbeitsverhältnis stärker an Bedeutung verloren. Junge Menschen können nicht mehr darauf bauen, bis zur Rente unbefristet und in Vollzeit tätig zu sein – womöglich noch beim selben Arbeitgeber. Andererseits schätzen viele ArbeitnehmerInnen auch eine selbstbestimmte Flexibilität im Berufsleben. In der modernen Arbeitswelt sind die Erwerbsbiografien vielfältiger und schnelllebiger, aber auch unsicherer geworden. Der Anteil atypisch Beschäftigter in Teilzeitarbeit, geringfügiger Beschäftigung oder an Zeit- und Leiharbeit ist gestiegen und verharrt auf zu hohem Niveau. Diese Transformation der Arbeitswelt wird sich fortsetzen. Die Digitalisierung wird Arbeitsplätze verdrängen, andere, die wir uns heute noch nicht vorstellen können, werden neu entstehen.

Weiterbildung ist ein Thema, das alle Menschen betrifft. Die öffentlichen Ausgaben von Weiterbildung aber stagnieren seit 20 Jahren. Das zeigt: Die schwarz-rote Koalition hat die Digitalisierung der Arbeitswelt und den Wandel der Industrie bisher komplett verschlafen. Die Folgen wiegen schwer: Beim Zugang zu guten Angeboten gilt noch immer das Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Hochschulabsolventen nehmen heute drei Mal häufiger an Weiterbildungen teil als Menschen ohne Berufsausbildung. Das ist ungerecht und schadet auch der Wirtschaft.

Es ist gut, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber ihren Beitrag leisten, damit die Weiterbildung in Deutschland vorankommt. Auf diesem Engagement darf sich die Bundesregierung aber nicht ausruhen. Die MinisterInnen Heil und Karliczek sollten vor allem die soziale Absicherung stärker in den Blick nehmen. Denn das beste Bildungsangebot hilft wenig, wenn Menschen mit geringen Einkommen, Alleinerziehende oder ältere ArbeitnehmerInnen gar nicht daran teilnehmen können, weil ihnen das Geld und die Unterstützung durch den Arbeitgeber fehlen. Ohne milliardenschwere Investitionsoffensive droht die Strategie der Bundesregierung als Papiertiger zu enden.

Digitalisierung und technischer Fortschritt krempeln unsere Lebens- und Arbeitswelt seit einigen Jahren rasant um. Uns ist wichtig, dass alle Menschen diesen Wandel mit Mut und Zuversicht gestalten können. Dafür wollen wir Weiterbildung weiterdenken. Wo die Unterstützung vom Betrieb und das eigene Einkommen nicht reichen, sehen wir die Gesellschaft in der Verantwortung, berufliche Entwicklung und gute Karrierechancen zu ermöglichen. Die junge Erzieherin, die nach der Elternzeit noch einmal studieren möchte, wollen wir dabei genauso fördern wie den zugewanderten Taxifahrer, der seinen Schulabschluss nachholen möchte. Dem Computer-affinen Erwerbslosen, der seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt mit einem Programmierkurs verbessern möchte, wollen wir genauso unter die Arme greifen, wie der Pflegeassistentin auf ihrem Weg zur Pflegedienstleiterin.

Weiterbildung ist heute genauso wichtig wie Schule, Studium oder berufliche Erstausbildung. Es ist deshalb höchst Zeit, dass das lebensbegleitende Lernen zu einem gleichberechtigten Teil des öffentlichen Bildungsauftrags wird. Dazu gehört ein starkes Recht auf Weiterbildung, das wir in der Nationalen Weiterbildungsstrategie der Bundesregierung vergeblich suchen. Dieses Recht auf Weiterbildung darf es nicht nur auf dem Papier geben, sondern es muss sich auch in starken Institutionen abbilden, die gute Angebote, persönliche Beratung und bei Bedarf auch passgenaue Förderung zu den Menschen bringen. Wir wollen rechtliche und praktische Hürden beseitigen und die Zugänge für alle vereinfachen.

Jede Weiterbildung beginnt mit guter Beratung, die sowohl in der Stadt als auch im ländlichen Raum für alle wohnortnah erreichbar sein muss. Konkret heißt das: Wir wollen in jeder Kommune Bildungsagenturen schaffen, in denen sich die Akteure vor Ort intelligent vernetzen. Statt dem Dschungel an Angeboten bauen wir ein transparentes Netz, in dem jeder ein passendes Angebot finden kann. Hier gibt es persönliche Beratung, Informationsmaterial und Unterstützung für alle, die nicht von ihren Arbeitgeber*innen unterstützt werden. Von einem Recht auf Weiterbildung profitiert die Erzieherin aus Bochum genauso wie der Kohlekumpel aus der Lausitz.

Es gibt aber auch Fälle, in denen die Arbeit nicht zum Leben reicht. Etwa 1,2 Millionen Erwerbstätige müssen ihr Einkommen aufstocken, um davon leben zu können. Leih- und Zeitarbeit, Arbeit auf Abruf, Befristungen, Scheinselbstständigkeit oder ungewollte Teilzeit sind für viele Realität. In manchen Regionen sind selbst Alleinstehende mit einem Vollzeitjob auf ergänzende Grundsicherungsleistungen angewiesen – und geraten so ins System der Sozialbürokratie. Auch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns hat daran wenig geändert. Gerechte Löhne sind essenziell für sozialen Zusammenhalt und Solidarität. Der Mindestlohn muss so hoch sein, dass wer voll arbeitet, in der Regel nicht noch aufstocken muss. Er muss deshalb deutlich steigen, um vor Armut zu schützen. Minijobs und Befristungen ohne Sachgrund müssen zurückgedrängt und das Tarifvertragssystem gestärkt werden.

Schön zu hören war, was die Zeitarbeitsbranche für die Integration von Geflüchteten leistet. Aber auch in den Bereichen Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung.

Für uns Grüne ist aber auch klar, dass wir Equal Pay in der Leiharbeit brauchen. Denn immer noch verdienen rund eine Million Leiharbeitskräfte im Schnitt deutlich weniger als die Stammbeschäftigten im gleichen Betrieb. Gerecht ist das nicht. Keine Frage, unsere Wirtschaft braucht Möglichkeiten, flexibel zu agieren. Betriebe benötigen manchmal sehr kurzfristig zusätzliches Personal, um Auftragsspitzen zu bewältigen. Doch Flexibilität muss ihren Preis haben. Notwendig ist deshalb gleicher Lohn für gleiche Arbeit ab dem ersten Tag. Leiharbeitskräfte müssen genauso bezahlt werden, wie die Stammbelegschaft und zusätzlich noch einen Bonus erhalten, denn es wird von ihnen eine hohe Flexibilität verlangt. Nur das wäre gerecht.

BAP Regional Konferenz Sued – 3 Juli 2019 in Nuernberg

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