Grünes Schnellmaßnahmen-Paket zur Stützung von Unternehmen, Selbstständigen und Freiberuflern im Shutdown

Für Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler*innen ist dieser Shutdown mehr als nur ein großer Frustfaktor. Wenn er jetzt nicht mit einem wirklich kraftvollen und schnellen Paket an Unterstützungsmaßnahmen einhergeht, dann wird er vielen Unternehmen, Selbstständigen und Freiberufler*innen wirtschaftlich das Genick brechen.
Das exponentielle Wachstum der Infektionen macht einen Shutdown zwar nötig. Aber dass es so weit kommen konnte und nicht bessere Vorkehrungen getroffen wurden, ist der Bundesregierung schwer anzulasten. Es rächt sich jetzt bitter, dass das letzte halbe Jahr zu wenig genutzt wurde, um diese Phase der Pandemie vorzubereiten, in der Hoffnung, es werde schon nicht so schlimm kommen. Es fehlte Vorausschau, Verbindlichkeit und Konsequenz. Der Sommer hätte genutzt werden müssen, um einen bundesweit einheitlichen Stufenplan zu entwickeln, der vorab transparent kommuniziert wird, und klar regelt, welche Maßnahmen bei welchen Infektionszahlen ergriffen werden und der vorsieht, dass regional früher eingegriffen wird, wenn das nötig ist. Es fehlten wissenschaftliche Studien, die die Infektionsgefahr in den unterschiedlichen Branchen, wie der Gastronomie oder Kultur ermitteln. Sie hätten dazu beitragen können, statt auf flächendeckende Schließungen auf differenzierte Maßnahmen zu setzen.
Stattdessen hektisches Hin und Her. Auch die bestehenden Wirtschaftshilfen hätten längst so angepasst werden müssen, dass sie tatsächlich dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Diese Versäumnisse haben nicht nur wirtschaftliche Schäden, sondern auch gesellschaftliche Akzeptanz gekostet.
Von der Bundesregierung erwarten wir nun mehr Tempo. So schnell wie die Einschränkungen für Gesellschaft und Wirtschaft kommen, so schnell müssen auch die Hilfen da sein. Das Mindeste, was Händler, Gastronomen oder Kultureinrichtungen, die viel in Pandemiesicherheit investiert haben, erwarten können, ist, dass die Hilfen rasch und nicht erst in Wochen oder Monaten ankommen. Zwischen Ankündigung und Auszahlung der Hilfen darf nicht wieder eine gefühlte Ewigkeit liegen. Dass Hilfsprogramme groß angekündigt werden, kennt man. Dass das Geld dann rasch in großem Umfang fließt, eher nicht.
Und nicht nur Geschwindigkeit spielt eine Rolle: Auch der Umfang und die Art der Hilfen, die die Bundesregierung jetzt zur Unterstützung plant, sind nicht ausreichend. Weit ambitioniertere Hilfen wären nötig. Statt eines einzelnen und eng am Umsatzausfall orientierten Notfallprogramms braucht es ein ganzes Paket von Schnellmaßnahmen.
Die angekündigten Nothilfen gelten erstmal nur für November. Ob sie ausreichen werden, ist völlig unklar. Und ab dem 1. Dezember stehen die Soloselbstständigen und Kleinstunternehmer*innen wieder ohne ausreichende Unterstützung da. Doch die Existenzängste enden nicht mit der Adventszeit. Es braucht eine Perspektive und einen klaren Plan über den Shut-down hinaus.
Ein Paket, das Unternehmen und Selbstständige auch wirklich schnell und ausreichend un-terstützt, muss enthalten:

1.) Notfallhilfe schnell, unbürokratisch und passgenau machen
Die auf 75 % des Umsatzes festgelegte Regel des Bundes kann vielen Unternehmen im No-vember während des Shutdowns helfen. Dafür muss sie aber für alle, die das Geld brauchen, zugänglich sein – und zwar sofort. Viel zu oft waren die Hilfen des Bundes in dieser Krise zu bürokratisch, kompliziert und mit so hohen Hürden für Unternehmen verbunden, dass nur einige sie nutzen konnten. In dieser Notsituation gefährdet eine schlechte Ausgestaltung Existenzen. Unternehmen, die im November letzten Jahres einen schlechten Monat hatten, müssen das ganze Jahr als Referenzwert nehmen können. Es braucht Lösungen für die Unternehmer*innen, die erst dieses Jahr gegründet haben. Und auch diejenigen, die mit gerin-gen Gewinnmargen wirtschaften, müssen ihre Kosten gedeckt bekommen – das ist mit den Hilfen nicht sichergestellt. Bei vielen Kulturschaffenden liegen die Einkommensnachweise für das letzte Jahr noch nicht vor. Damit auch sie schnelle Hilfe bekommen, muss für sie die Möglichkeit bestehen, eine rechtsverbindliche Selbstauskunft über den Umsatz des letzten Jahres oder den Umsatz 2018 anzugeben.

2.) Unternehmer*innenlohn für Soloselbstständige und Kleinstunternehmer*innen nicht länger blockieren
Soloselbstständige und Kleinstunternehmer*innen gehören zu einer der am heftigsten von dieser Krise betroffenen Gruppen. Ein besonderes Beispiel dafür ist die Kultur- und Veranstaltungsbranche, in der seit Monaten Ausnahmezustand herrscht. Viele Selbstständige haben nun schon monatelang kaum Hilfe erhalten und mussten Rücklagen nutzen, die ihre einzige Altersvorsorge darstellten. Der neue Shutdown bedeutet für sie eine noch tiefere und längere Existenzkrise. Seit Monaten fordern wir die Bundesregierung auf, dass sie bestehende Hilfsprogramme an die Lebensrealität der Betroffenen anpasst und zusätzlich zu den oft kaum vorhandenen Fixkosten über einen Unternehmer*innenlohn diese auch bei den Lebenshaltungskosten unterstützt. Wirtschaftsminister Altmaier hat die Hilfeschreie der Branche lange ignoriert, aber vor zwei Wochen nun doch endlich einen Unternehmer*innenlohn angekündigt. Doch Finanzminister Scholz weigert sich weiterhin, den Weg für einen Unternehmer*innenlohn frei zu machen und verweist die Betroffenen lieber auf Hartz IV. Wir fordern die Bundesregierung und vor allem Finanzminister Scholz auf, diese von der Krise besonders Gebeutelten nicht mehr länger hängen zu lassen, sondern die Blockade zu beenden und einen Unternehmer*innenlohn unverzüglich auf den Weg zu bringen, der Be-troffene schnell erreicht und auch rückwirkend gilt. Wenn die Bundesregierung jetzt nicht handelt, stehen die Soloselbstständigen ab dem 1. Dezember wieder mit leeren Händen da.

3.) Die Überbrückungshilfe sofort überarbeiten und krisengeschüttelte mittel-große Unternehmen retten
Auch für Unternehmen mit über 50 Mitarbeiter*innen und Unternehmen, die indirekt von den Schließungen betroffen sind, droht sich die Situation durch den neuen Shutdown zu ver-schärfen. Die Bundesregierung handelt grob fahrlässig, wenn sie mit der Überarbeitung der bürokratieüberladenen Überbrückungshilfen bis zum nächsten Jahr wartet. Der mickrige
Abfluss der Hilfsgelder aus den bisherigen Überbrückungshilfen ist zum Symbol des wirt-schaftspolitischen Versagens der Bundesregierung geworden. Die Überbrückungshilfen sind ein Mogelpackung – sehen von außen gut aus, halten aber nicht, was sie versprechen. Es ist ein schweres Versäumnis, dass die Bundesregierung nicht längst mehr Ambition gezeigt hat, die Zugangshürden abzubauen, die verhindern, dass Unternehmen in Not unterstützt wer-den. Diese Fehler müssen jetzt und nicht erst am 1. Dezember repariert werden, und zwar auch rückwirkend für die Phase 1 von Juni bis August und Phase 2 von September bis De-zember. Ansonsten wird die Existenz zahlreicher Unternehmen aufs Spiel gesetzt. Wichtig ist, dass das Geld schnell und unbürokratisch bei den Unternehmen ankommt. Die Kritik der Betroffenen muss endlich gehört werden und alle Programme gut mit bestehenden Länder-hilfen verzahnt werden.

4.) Einen Schutzschirm für die Veranstaltungswirtschaft spannen
Die Veranstaltungswirtschaft ist wie kaum eine andere Branche von den ersten und den aktuellen Kontaktbeschränkungen betroffen. Kunst und Kultur gehören zu unserer offenen Gesellschaft dazu. Sie brauchen mehr Unterstützung. Der Veranstaltungswirtschaft sollte mit einem Schutzschirm, der die nicht mehr stornierbaren Kosten für bereits geplante Veranstal-tungen ersetzt, Sicherheit für einen Neustart gegeben werden.

5.) Selbstständige und Unternehmen mit Verlustausfall bei Gewerbemieten un-terstützen und das Risiko in der Krise fair teilen

Bislang tragen Gewerbetreibende das gesamte Risiko der Corona-Pandemie alleine, während viele Vermieter*innen nicht bereit sind einen fairen Anteil zu übernehmen. Die Bundesregierung muss klarstellen, dass Nutzungsbeschränkungen aufgrund behördlicher Allgemeinverfügungen zur COVID-19-Bekämpfung als schwerwiegende Veränderung der die Vertragsgrundlagen bildenden Umstände darstellen, sodass ein Anspruch auf Anpassung des Mietvertrags besteht. Zudem bedarf es erneut eine Kündigungsbeschränkung für coronabedingte Zahlungsschwierigkeiten für gewerblich und private Mieterinnen und Mieter sowie die Ein-führung unseres grünen „Sicher-Wohnen-Programms“.

6.) Verlustrücktrag ausweiten, um Umsatzeinbrüche zielgenauer auszugleichen
Um die Liquiditätssituation der Unternehmen insgesamt gezielt zu verbessern, soll ein Ver-lustrücktrag von bis zu 2 Millionen Euro zeitlich auf 4 Jahre ausgeweitet werden können. Eine solche Ausweitung des Verlustrücktrags ist eines der einfachsten und zielgenauesten Instrumente, um Umsatzeinbrüche auszugleichen und lässt sich auch mit bestehenden Hilfsprogrammen kombinieren.

7.) Testkapazitäten mit Abnahmegarantien erhöhen
Dort, wo gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben ohne Ansteckungsrisiko möglich ist, muss es auch möglich gemacht werden. Dafür braucht es eine deutliche Ausweitung der Kapazitäten an Schnelltests, wenngleich eine ausreichende Anzahl an Schnelltests weiterhin für die Risikogruppen, Alten- und Pflegeheime vorgehalten werden muss. Damit es sich für Unternehmen rentiert große Mengen von Schnelltests kurzfristig zu produzieren, muss die Bundesregierung die Abnahme der Tests in einem ausreichenden Umfang garantieren und europäisch koordinieren. Das späte Handeln der Bundesregierung bei der Maskenbeschaf-fung darf sich bei den Schnelltests nicht wiederholen.

8.) Lockerungen auf wissenschaftliche Füße stellen

Seit dem Sommer fordern wir von der Bundesregierung Studien durchzuführen, in welchen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens die höchsten Gefahren für Ansteckungen bestehen, um erneute Schließungen zielgerichtet durchzuführen. Dafür ist es nun zu spät. Jetzt müssen aber zumindest die Lockerungen mit Maß erfolgen. Bereiche, in denen eine geringe Ansteckungsgefahr besteht, sollten frühzeitig wieder geöffnet werden oder direkt geöffnet bleiben. Die Webfehler bei den Sofort- und Überbrückungshilfen haben gezeigt, dass mehr parlamen-tarische Kontrolle bei der Verwaltung der vom Bundestag freigegebenen Milliardenhilfen nötig ist. Mit mehr Transparenz steigt die Rechenschaftspflicht von Bundeswirtschafts- und Finanzministerium gegenüber dem Bundestag und steigt der Druck, dafür zu sorgen, dass Hilfen auch ankommen. Die Wirtschaft braucht zudem eine verlässliche Perspektive, wie es ab dem 1. Dezember wei-ter geht. Es fehlt eine erkennbare Strategie, wie wir alle zusammen gut durch Herbst und Winter kommen, ohne dass uns die Lage nicht noch einmal entgleitet. Unternehmen brauchen Planungssicherheit und Verlässlichkeit, um sich mit Hygienemaßnahmen oder Anpassungen im Geschäftsmodell auf eine Zeit vorzubereiten, in der das Infektionsgeschehen eine stärkere Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit erlaubt. Das erfordert von der Bundesre-gierung klare Kommunikation und einen nachvollziehbaren Stufenplan, bei welchen Inzidenzwerten, welche Branchen unter welchen Bedingungen wieder hochfahren können. Nur so können sich Unternehmen und Selbstständige jetzt weiter vorbereiten, anstatt von einem auf den anderen Tag im Unklaren gelassen zu werden oder erst kurz vor den Lockerungen darüber informiert zu werden.

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